Sespenroth

Wie wir bei unserer Suche nach der Auswanderung Mitte des 19. Jahrhunderts herausgefunden haben, sind aus unserem Bereich 726 Personen ausgewandert, von denen 315 Texas als Reiseziel angaben. Welche Widrigkeiten müssen damals geherrscht haben, dass ganze Dörfer auswanderten! Aus dem damaligen Herzogtum Nassau sind drei Gemeinden vollständig aufgelöst, so auch die Gemeinde Sespenroth in der heutigen Gemarkung Heilberscheid.
Von den 60 Einwohnern dieses Ortes sind 48 Personen nach Milwaukee, Wisconsin, aufgebrochen. Nur drei Familien sind hier im Westerwald zurückgeblieben.
Wie unser Mitglied Guido Feig, Leiter des Arbeitskreises Heimatgeschichte und Brauchtum im Westerwald-Verein erforschte, geht die erste urkundlichen Erwähnung der Gemeinde Sespenroth auf das Jahr 1392 zurück. Sie steht im Zusammenhang mit dem Adeligen Hermann von Custerode. Im Jahre 1525 gehörte die Ansiedlung in den Zuständigkeitsbereich der Kellereien von Hadamar, Nassau und Montabaur. Die Präsenz lag in Montabaur und bei der Pfarrei Nentershausen. Für diese Zeit und auch im Jahre 1564 werden vier Feuerstellen erwähnt, woraus man auf eine Einwohnerzahl von ca. 30 Personen schließen kann.
Während des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) hatte die Ansiedlung, wie viele andere, die schon zu dieser Zeit aufgegeben wurden, stark gelitten. Im Jahre 1653 wurde erwähnt, dass Sespenroth unbewohnt war. Doch etwa 30 Jahre später, im Jahre 1684, wurden wieder zwei Feuerstellen verzeichnet.
Zuständig wurden die Grafen von Nassau und die adelige nassauische „Familie vom Stein“, die später in die Geschichtsbücher Einzug hielten.
Das 19. Jahrhundert war großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Änderungen unterworfen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Französischen Revolution standen. Eine Folge davon war offensichtlich auch die „Völkerwanderung“, die aus ganz Europa nach Amerika einsetzte, mit insgesamt 40 Millionen Menschen. Die Gemeinde Sespenroth wurde aufgegeben Auch der ländliche Westerwald, Taunus, Hunsrück und die Eifel wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Armut nicht verschont. Die Bewohner dieser Region waren von den Verlockungen der „Neuen Welt“ ebenfalls fasziniert. So entschlossen sich die Bewohner der kleinen Gemeinde Sespenroth, ihr Hab und Gut aufzugeben und wandten sich am 26. Februar 1852 an die Landesregierung, ihnen bei der Auswanderung behilflich zu sein.
Herzog Adolf von Nassau unterstützte diesen Plan und ließ die Versteigerung des Dorfes zu. Die Nachbargemeinde Heilberscheid erhielt den Zuschlag und das Dorfgebiet für 8.583 Gulden.
Um 1850 gab es in Sespenroth elf Wohnhäuser, die von 78 Personen bewohnt wurden. Die drei zweistöckigen Wohnhäuser waren im Eigentum von Johann Adam Ickenroth, Johann Klein und Christian Lenz (aus Holler). Eigentümer der acht einstöckigen Wohnhäuser waren Adam Brühl, Jakob Diehl, Anna Ebenig (Erbgut, Ehefrau des Willhelm Stadtmüller), Wilhelm und Anton Heil, Johann Krause, Johann Nebgen, Heinrich Hoffart und Johann Stamm (aus Nomborn). Die Häuser wurden verpfändet und die neuen Eigentümer warteten schon darauf, dass sie bald nach dem Ausreisetag, Osterdienstag, 29. März 1853, diese in Besitz nehmen konnten. Sespenroth muss ein schönes Dörfchen gewesen sein. Davon zeugen große Scheunen in Heilberscheid, die aus den massiven Eichenbalken aufgebaut wurden.
Voller Bangen und Hoffen, doch zuversichtlich reisten am Osterdienstag, dem 29. März 1853, 48 Personen aus Sespenroth über Koblenz, Köln, Bremen nach Bremerhaven. Von dort setzten sie am 11. April 1853 mit dem Bremer Schiff Leander nach New York/USA über und erreichten die Stadt am 30. Mai 1853.
Am Ostermontag, 21. April 2003, 150 Jahre nach der Auswanderung werden einige Nachfahren der Auswanderer aus Sespenroth in der Gemeinde Heilberscheid erwartet.
Der Arbeitskreis Heimatgeschichte und Brauchtum im Westerwald-Verein und die DTG erarbeiteten zusammen mit der Gemeinde Heilberscheid ein Programm. Der Tag begann für die zehn Besucher aus den USA und die Gastgeber um 9:00 Uhr mit einem Gottesdienst in der Pfarrkirche Heilberscheid, um 10:30 Uhr Empfang und Ausstellungseröffnung im Dorfgemeinschaftshaus Heilberscheid, 14:30 Uhr Einsegnung des restaurierten Wegkreuzes in der Wüstung Sespenroth mit anschließendem volkstümlichen Treffen und gemütlichen Beisammensein in Sespenroth.

Ostermontag 2003 – Gäste und Gastgeber in der Wüstung Sespenroth

Zum 160. Jahrestag der Auswanderung aus Sespenroth, Ostern 2013, kommt wieder eine Reisegruppe aus den USA. Katharine Becker-Barr aus Withestown, Indiana, die bereits in den 90er-Jahren als Lehrerin der Kingsway-Christian-School in Indianapolis mit über 100 Schülerinnen und Schülern der Heinrich-Roth-Schule in Montabaur über mehrere Jahre eine Brieffreundschaft pflegte, war wieder dabei.
Am Nachmittag des Karsamstags nahmen die Nachfahren der „Sespenrother“ das Wüstungsgelände in Augenschein und trafen sich anschließend zu einem Barbeque in Bladernheim. Höhepunkt der Begegnung am Ostersonntag, 31. März: Pfarrer Michael Scheungraber (Nentershausen) zelebrierte um 9:00 Uhr einen zweisprachigen Festgottesdienst in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Heilberscheid unter Mitwirkung von Ed Rosenthal aus Chicago. Danach begrüßte Ortsbürgermeister Axel Braun im Dorfgemeinschaftshaus die amerikanischen Gäste zu einer „Wiedersehensfeier“. Am Ostermontag nahmen einige an dem frühen „Emmausgang“ mit Pfarrer Heinz-Walter Barthenheier von Montabaur nach Wirzenborn teil. Es standen noch Köln und Hachenburg auf dem Programm der Besucher, ehe die Gäste am 10. April ihre Rückreise nach Amerika antraten.

Ein Beitrag zu Sespenroth auf SWR.de.